7. Mai 2023

„Orangensaftflaschen“ Entscheidung des OLG Hamburg

Dr. Dydra Donath - Rechtsanwältin

Rechtsanwältin | Fachanwältin
für Gewerblichen Rechtsschutz

info@dydra-donath-law.com

Vom 31.08.2022, Az. 5 U 60/22

Die Antragstellerin zu 1. stellt her und vertreibt Fruchtsäfte in Flaschen, wie etwa aus der nach­stehend eingeblendeten Abbildung ersichtlich:

Granini Orange Flasche

Das Design der Flasche (im Folgenden „granini-Flasche“ genannt) stammt aus dem Jahr 1969 und ist der Form einer Ananas nachempfunden. Zur typischen Gestaltung dieser Flasche gehören auch Einkerbungen (sog. „Grübchen“), mit denen die an der Schalenaußenseite einer Ananas befindlichen Noppen stilisiert dargestellt werden. Die Flasche ist farblos transparent und lässt daher die Farbe des jeweiligen Fruchtsaftes erkennen.

Die Antragstellerin zu 2. ist die Konzernmuttergesellschaft und ist unter anderem Inhaberin der folgenden deutschen dreidimensionalen Marke Nr. 302013028939, die Schutz u.a. für „Fruchtgetränke und Fruchtsäfte“ beansprucht:

Granini Marke Flasche

Die Antragsgegnerinnen vertreiben die nachstehend eingeblendeten Fruchtflaschen (im Folgenden: „albi-Flaschen“ genannt):

Albi Flaschen

Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 10 November 2021 hatten die Antragstellerinnen beim LG Hamburg unter anderem beantragt, es den Anrags­gegnerinnen zu verbieten, in der Bundesrepublik Deutschland Fruchtsäfte und Fruchtnektare anzubieten, zu verkaufen, sonstwie in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, die wie in den oben eingeblendeten Gestaltungen aufgemacht sind.

Die Antragstellerin zu 1. hat sich hierbei auf wettbewerbsrechtliche und die Antrag­stellerin zu 2. in erster Linie auf markenrechtliche und hilfsweise auf gemeinschafts­geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche gestützt.

Das Landgericht Hamburg hatte dem Verfügungsantrag antragsgemäß am 18.11.2021 stattgegeben und auf Widerspruch der Antragstellerinnen hin, die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 13.1.2022 bestätigt. Es hatte hierbei angenommen, dass der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin zu 1. aus wettbwerbsrechtlichem Leistungsschutz und derjenige der Antragstellerin zu 2. aus einer Verletzung der deutschen Marke Nr.  302013028930 (siehe oben) folge.

Die Berufung der Antragsgegnerinnen zum OLG Hamburg hatte Erfolg.

Das OLG ist der Ansicht, dass den Antragstellerinnen weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 3 Buchst. a UWG noch wegen Markenverletzung nach § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG zu­stünden. Es führte hierzu im Wesentlichen Folgendes aus:

Kein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 3 Buchst. a UWG wegen vermeidbarer Herkunftstäuschung:

Nach Ansicht des OLG stellen die oben eingeblendeten „albi – Flaschen“ der Antrags­gegnerinnen keine unlautere Nachahmung der Produktausstattung der „granini -Flasche“ dar.

Die Annahme einer Nachahmung i.S.v. § 4 Nr. 3 UWG setze voraus, dass gerade die übernommenen Gestaltungsmittel diejenigen sind, die die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen.

Die Antragstellerinnen hatten geltend gemacht, dass das seit 1969 unveränderte Grund­konzept der „granini-Flasche“ sich durch die folgenden Designmerkmale auszeichne:

  1. zylindrischer Flaschenbauch und lotrecht angeordneter, zylindrischer Flaschenhals;
  2. Flaschenbauch und Flaschenhals ungefähr im Verhältnis 3:2
  3. strikte optische Trennung zwischen Flaschenbauch und Flaschenhals, kein „weicher Übergang“
  4. breiter Schraubverschluss, mit minimaler Verjüngung am Flaschenhals
  5. Grübchen im Flaschenhals, erinnernd an die Noppen einer Ananas
  6. das Etikett wird grundsätzlich an dem Flaschenhals angebracht, um den Flaschenbauch mit den Grübchen und dem Inhalt vollständig und ungestört sichtbar zu machen.

Insbesondere unter Anschauung der von den Antragstellerinnen vorgelegten „granini-Flasche“ gelangte das OLG Hamburg jedoch zu einer anderen den Gesamteindruck des Verfügungs­musters prägenden Merkmalsanalyse und zwar wie folgt:

  1. leicht bauchiger Flaschenkörper mit deutlich abgerundeter Ober- und Unterseite, der mit einer Vielzahl von regelmäßigen runden Einbuchtungen versehen ist;
  2. die regelmäßigen runden Einbuchtungen erzeugen eine grifffreundliche Haptik, weil die Einbuchtungen zur Aufnahme der Fingerkuppen geeignet erscheinen;
  3. der Flaschenbauch macht etwa 2/3 der Gesamtflasche aus;
  4. oberhalb des Flaschenkörpers sitzt ein deutlich schmalerer zylindrischer Flaschenhals, der konisch in Richtung des Schraubverschlusses zuläuft;
  5. breiter Schraubverschluss;
  6. breites Etikett am Flaschenhals mit dem Markennamen „granini“.

Der Gesamteindruck der „granini-Flasche“ werde durch den etwa 2/3 der Flasche ausmachenden Flaschenkörper, der durch seine Abrundungen leicht konisch (bauchig) erscheine und an den Körper einer Ananasfrucht erinnern soll. Zudem erzeugen die Einbuchtungen (sog. Grübchen) eine besondere, ungewöhnliche Haptik, weil sich die Flasche durch diese Einbuchtungen bequem greifen lasse, indem erkennbare Mulden für die Fingerkuppen gebildet werden.

Gegenüber dieser eigenartigen Gestaltung der „granini-Flasche“ würden die „albi-Flaschen“ weder eine nahezu identische Übernahme noch eine nachschaffende Nachahmung darstellen. Insbesondere fehle den „albi-Flaschen“ ein rundlich wirkender Flaschenkörper, der mit runden Einbuchten versehen ist und daher organisch und bauchig wirke. Die angegriffenen Flaschen seien vielmehr zylindrisch gradlinig. Zudem bewirke das florale Muster der „albi-Flaschen“ auch keine rundliche Anmutung des Flaschenkörpers und erzeuge auch keinen haptischen Eindruck von Griffmulden. In der Frontansicht werde dies noch deutlicher, da hier der Markenschriftzug „albi“ mit der stilisierten Krone eingeprägt und siegelförmig in das florale Muster eingebettet sei. Nichts würde bei den angegriffenen Mustern an eine Ananas erinnern, wie die nachstehende Gegenüberstellung zeige:

Granini vs albi

Übereinstimmungen zwischen den beiderseitigen Flaschen würden lediglich im Bereich des Flaschenkopfes mit der Deckelgestaltung, dem umlaufenden Tropfschutz, dem Boden mit ausmodellierten „Füßen“, dem jeweils konischen Übergang vom Flaschenkopf in den Flaschenhals und dessen konischen Übergang in den Flaschenkörper sowie in der Etikettierung des Flaschenhalses bestehen. Bei diesen übernommenen Gestaltungsmerkmalen handele es sich jedoch nicht um solche, die die wettbewerbliche Eigenart der „granini-Flaschen“ ausmachen, für die Schutz beansprucht werde.

Hinzukomme, dass die angegriffenen Flaschen mit der Angabe „albi“ eine abweichende und ihrerseits langjährige am Markt präsente Herstellerkennzeichnung, nämlich insbesondere wie nachstehend eingeblendet:

aufweise, die sowohl auf der Banderole am Flaschenhals aufgebracht als auch in den Flaschenbauch eingeprägt sei.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei eine abweichende Hersteller­kennzeichnung grundsätzlich geeignet, einer unmittelbaren Herkunftstäuschung entgegen­zuwirken. Hierbei käme es allein auf die Erkennbarkeit der abweichenden Hersteller­kennzeichnung in der Erwerbssituation an. Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen. Eine solche abweichende Herstellerkennzeichnung sei zudem insbesondere dann zur Abgren­zung geeignet, wenn – wie hier – bereits die Produktgestaltung selbst keine Nachahmung sei.

Zudem sei auch keine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne zu bejahen. Eine Herkunfts­täuschung liege nämlich nur dann vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers halten würde oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen  – wie etwa – lizenz- oder gesellschafts­vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten ausgehen würde.

Die Antragsgegnerinnen hatten zwar zuvor die „granini-Flaschen“ der Antragstellerinnen im Sortiment und haben nunmehr nicht mehr diese, sondern die „albi-Säfte“ im Sortiment. Nach Auffassung des OLG reiche dies jedoch nicht, um davon ausgehen zu können, dass es sich bei den „albi-Flaschen“ um eine Zweitmarke der bisherigen „granini-Säfte“ handeln könnte. Vielmehr sei von einem „echten“ Lieferantenwechsel auszugehen.

Markenrechtliche Ansprüche sowie die hilfsweise geltend gemachten gemeinschafts­geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche würden ebenfalls aus den bereits oben dargelegten Gründen ausscheiden.

Kommentar

Die Entscheidung des OLG Hamburg macht nochmals deutlich, dass vor Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen, markenrechtlichen und geschmacksmuster- / designrechtlichen An­sprüchen genauestens geprüft werden muss, welche Merkmale des Schutzrechts aus dem vorgegangen werden soll, den Gesamteindruck dieses Schutzrechts prägen und ob diese von dem anzugreifenden Muster übernommen wurden oder ob es sich bei den übereinstimmenden Merkmalen lediglich um solche handelt, die im Markt üblich sind und die gerade nicht den Gesamteindruck des Schutzrechts des Klägers bzw. Antragstellers ausmachen.

Weiterhin sollte geprüft werden, ob nicht eine in dem anzugreifenden Produkt ersichtliche Herstellerkennzeichnung bereits zum Ausschluss von Verletzungsansprüchen führen kann.