17. Juni 2023

Zwischen LYST und Greenlyst (Wortbildmarke) besteht Verwechslungsgefahr

Dr. Dydra Donath - Rechtsanwältin

Rechtsanwältin | Fachanwältin
für Gewerblichen Rechtsschutz

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Beschluss des Bundespatentgerichts vom 18. März 2023, Az.: 29 W (pat) 59/20

 

Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Widersprechende ist Inhaberin der Unionswortmarke Nr. 010 840 321 ‚LYST‘, die unter anderem Schutz für die Dienstleistungen der Klasse 35 genießt:

  • Bereitstellung von Online-Werbeflächen für Verkäufer und Käufer für Werbung, Vermarktung und Handel in Bezug auf Güter sowie für den Abschluss von Verkaufsaktionen; Online-Werbung im Internet und anderen weltweiten Computernetzen; Bereitstellung von Informationen in Bezug auf den Online-Einkauf von Modewaren.

Die Unionsmarke stellt gleichzeitig das Firmenschlagwort der Widersprechenden dar unter dem sie eine globale Modesuchmaschine vertreibt.

Die Widersprechende hatte aus ihrer Marke ‚LYST‘ gegen die Eintragung der jüngeren deutschen Wortbildmarke Nr. 30 2018 216 616 GreenlystWiderspruch beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) erhoben. Die angegriffene Marke beanspruchte Schutz für die folgenden Dienstleistungen der Klasse 35:

  • Affiliate-Marketing; Bereitstellen eines Online-Marktplatzes für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Vermittlung von Handelsgeschäften für Dritte über Online-Shops.

Die Markenstelle beim DPMA (sowohl Erstprüfer als auch Zweitprüfer) hatten teilweise Identität und im Übrigen eine hochgradige Ähnlichkeit zwischen den vorgenannten Dienstleistungen bejaht. Allerdings verneinten beide Prüfer eine Ähnlichkeit zwischen LYST und sowohl in phonetischer, visueller und auch in begrifflicher Hinsicht und somit eine Verwechs­lungs­gefahr zwischen den Vergleichsmarken und wiesen den Widerspruch mit Beschlüssen vom 1. November 2019 und vom 6. Juli 2020 zurück.

Zur Begründung ihrer Auffassung führte die Markenstelle insbesondere Folgendes aus

  • Der Widerspruchsmarke ‚LYST‘ komme zwar noch „normale Kennzeichnungskraft“ zu, allerdings würde der aus dem Dänischen stammende Begriff ‚LYST‘ der im Deutschen so viel wie „Lust“, „Vergnügen“ bedeute, eine beschreibende Wirkung im Sinne einer Anpreisung, nämlich, dass die Dienstleistungen auf ein „auf die Befriedigung eines Wunsches gerichtetes Verlangen ausgerichtet sei“ beinhalten. Außerdem würde es sich bei ‚LYST‘ um eine für den Großteil des Verkehrs verständliche Anlehnung an die rein beschreibende Angabe „Lust“ handeln.
  • Der Verkehr werde die angegriffene Wortbildmarke mit „Greenlyst“ benennen.  Die somit zu vergleichenden Zeichen „Greenlyst“ und „Lyst“ würden sich phone­tisch durch den Wortbestandteil „Green“ der angegriffenen Marke „deut­lich“ unter­­scheiden, da dieser in der Widerspruchsmarke ‚LYST“ nicht enthalten sei und zudem den Wortanfang der angegriffenen Marke bilde. Dies folge ins­besondere daraus, dass bekanntlich die angesprochenen Verkehrs­kreise in der Regel Wortanfängen weitaus mehr Bedeutungen als Wort­endun­gen Auf­merk­samkeit schenken.
  • Auch eine visuelle Ähnlichkeit könne wegen der typischen „Umriss­charakte­ristik“ des Wortbestandteils „Green“ und des grafischen Bestandteils aus­ge­schlossen werden.
  • Zudem sei auch eine begriffliche Ähnlichkeit zu verneinen: In der angegriffenen Mar­ke könne man einen Gesamtbegriff im Sinne von „Grüner Lust“, Bedürfnis nach Umweltfreundlichkeit und Natur“ sehen, der eine sprachüblich gebildete gesamtbegriffliche Einheit darstelle und nicht zergliedert werden könne. Die Wider­spruchsmarke könne auf „Lust, Bedürfnis oder Verlangen“ hinweisen oder als Fantasiebegriff aufgefasst werden. Der Verkehr werde jedoch die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen.
  • Ein gedankliches Inverbindungbringen würde ebenfalls ausscheiden. Die Wider­spruchs­marke sei zwar vollständig in der angegriffenen Marke übernommen, jedoch nehme der Wortbestandteil ‚Lyst‘ in der angegriffenen Marke keine dominante Stellung ein, sondern sei darin aufgegangen und zu einem Gesamtbegriff mit dem Wort „Green“ verbunden. Anhaltspunkte dahingehend, dass sich die Wider­spruchsmarke zu einem bekannten Unternehmenskennzeichen entwickelt habe oder dass das Wort ‚LYST‘ Stammbestandteil mehrerer Serienmarken der Wider­sprechenden sei, bestünden nicht.

Die gegen den Beschluss des Erinnerungsprüfers eingelegte Beschwerde hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der beiden Entscheidungen des DPMA.

Der 29. Senat des Bundespatentgerichts (BPatG) hat der Widerspruchsmarke ‚LYST‘ – entgegen der Auffassung des DPMA – durchschnittliche Kenn­zeich­nungskraft zuerkannt. Dabei hat er jedoch die Frage offengelassen, ob die an­gesprochenen inländischen Verkehrskreise den aus der dänischen Sprache stammenden Begriff „LYST“ im Sinne von „Lust“ erkennen werden. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, sei dieser Begriff im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Wider­spruchsdienstleistungen nicht beschreibend.

Der Senat folgte zwar der Ansicht der Markenstelle dahingehend, dass sich die Vergleichsmarken ‚LYST‘ und Greenlyst in ihrer Gesamtheit deutlich durch die grafische Ausgestaltung der jüngeren Marke und den in ihr enthaltenen zusätz­lichen Wortbestandteil „Green“ sowohl in phonetischer als auch in visueller und in begrifflicher Hinsicht unterscheiden, so dass eine unmittelbare Ver­wechs­lungsgefahr zwischen den Marken zu verneinen sei. In Bezug auf die von der jüngeren Marke beanspruchten Dienstleistungen würde „green“ darauf hinweisen, dass diese Handelsgeschäfte mit bzw. Werbung und Marketing für nachhaltige Waren beträfen. Dennoch würde der Wortbestandteil „Green“ in der angegriffenen Marke – obwohl er beschreibend und kennzeichnungsschwach sei – zum Gesamteindruck der angegriffenen Marke Greenlyst  beitragen. Denn bereits die konkrete Ausgestaltung der Buchstabenfolge „Greenlyst“, die mit einem Großbuchstaben beginnt, während die weiteren Buchstaben kleingeschrieben sind, würde als zusammenhängendes Wort gelesen und auch so benannt werden, auch wenn sich kein Sinngehalt aufdrängen würde. Dieser Umstand würde einer Prägung der angegriffenen Marke nur durch den Bestandteil ‚lyst“ entgegenstehen. Der Wortbestandteil „Green“ würde folglich in der Gesamtmarke Greenlyst nicht derart in den Hintergrund treten, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise allein an dem weiteren Bestandteil ‚lyst‘ orientieren würden.

Allerdings hat der Senat eine sogenannte mittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und hierzu Folgendes ausgeführt

Die jüngere angegriffene Marke Greenlyst ruft den Eindruck einer Spezifizierung der älteren Marke ‚LYST‘ hervor. Denn bei dem Bestandteil „Green“ handelt es sich um einen branchenübergreifend verwendeten Hinweis dahingehend, dass Produkte oder Dienstleistungen umweltfreundlich / ökologisch hergestellt bzw. erbracht werden oder sich bei ihrem Einsatz und Gebrauch als umweltfreundlich / ökologisch erweisen.

Im Bereich des hier in Rede stehenden Affiliate-Marketing und Bereitstellen von Online-Marktplätzen steht die Bezeichnung „Green“ oder „grün“ für einen Markenkanal, der von Händlern umweltfreundlicher und ökologischer Produkte genutzt wird. Dieser Nachhaltigkeitstrend sei auch in der hier in Rede stehenden Modebranche, und zwar auch bereits vor dem Anmeldetag (1. Juni 2018) der angegriffenen Marke sehr bedeutend. Die angesprochenen Verkehrskreise werden daher, wenn ihnen das zusammengesetzte Wort „Greenlyst“ – vor allem in phonetischer Hinsicht  – im Zusammenhang mit den oben genannten Dienstleistungen begegnet, davon ausgehen, dass sich die Widersprechende neben ihren bisherigen unter ‚LYST‘ angebotenen Dienst­leis­tungen mit einem „öko-sozialen Marketing im Bereich der Vermittlung nachhaltiger Produkte“ beschäftigt, und die Marke, weil der Begriff „lyst“ in selbständig kennzeichnender Wirkung hervortrete, der Widersprechenden zuordnen.

Der Senat teilte auch nicht die Auffassung des DPMA, dass es sich bei Greenlyst um eine gesamt­begriffliche Einheit handeln würde, weil die Bestandteile „Green“ und „lyst“ in ihrem Sinngehalt („Lust auf Grünes / Umweltfreundliches) aufeinander bezogen seien. Es könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Wortbestandteil ‚lyst‘ in der konkreten Kombination mit dem aus dem Englischen stammenden Wort (Green) überhaupt als dänisches Wort erkennen werden.

Kommentar

Die Entscheidung des Bundespatentgerichts ist jedenfalls im Ergebnis zu begrüßen und auch richtig.

Es mag zwar durchaus fraglich sein, ob ein Zeichen, das aus einem rein beschreibenden englischsprachigen Begriff (Green) – und dies sogar waren- und dienstleistungsübergreifend – sowie aus einem dänischen Wort (lyst) besteht, von den hier angesprochenen inländischen Verkehrsteilnehmer* als „ein zusammenhängendes Wort“ aufgefasst wird, mit der Folge, dass der Wortbestandteil „Green“ nicht derart in den  Hintergrund tritt, dass der Gesamteindruck der Marke Greenlyst allein durch den kennzeichnungsstarken Begriff ‚lyst‘ geprägt wird.

Weiterhin mag fraglich sein, ob der grüne Punkt, der sich im oberen Drittel des Schluss­buch­stabens ‚t‘ befindet, geeignet ist, den Gesamteindruck der Marke mitzuprägen, obwohl es sich hierbei lediglich um eine grafische Wiedergabe des beschreibenden Wortes ‚Green‘ (grün) handelt, die zudem einfach gestaltet und eher dekorativer Natur ist und häufig in der Werbung verwendet wird.

Der Auffassung des Bundespatentgerichts ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als die angesprochenen Verkehrskreise, wenn ihnen die Marken LYST und Greenlyst in Bezug auf die vorgenannten Dienstleistungen im Markt begegnen, irrtümlich annehmen werden, dass die unter dem Zeichen Greenlyst angebotenen Dienstleistungen, umweltfreundliche Dienstleistungen beinhalten, diese also quasi als der „grüne Arm“ derjenigen Dienstleistungen verstanden werden, die unter der Marke „LYST“ angeboten werden. Das hier relevante Publikum wird daher fälschlicherweise davon ausgehen, dass die unter den Marken LYST und Greenlyst angebotenen Dienstleistungen aus ein und demselben Unternehmen stammen oder zumindest aus solchen Unternehmen, die wirtschaftlich oder organisatorisch miteinander verbunden sind.

Es ist daher grundsätzlich davon abzuraten, bereits angemeldete oder eingetragene Marken Dritter in eigene Markenanmeldungen zu übernehmen und diese mit umweltfreundlichen Begriffen wie beispielsweise „green“, „grün“, „eco“, „eco-friendly“ oder „organic“ zu kombinieren.

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprach­formen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.